Gräfin Mariza
Von Silvia Szymanski // 17. Januar 2013 // Tagged: featured, Omafilm, Operette, Österreichisches Kino // Keine Kommentare
Diesen Film kann man vielleicht nur genießen, wenn man ihn als Kind mit seiner Oma gesehen hat, sehr alt ist oder starkes Fieber hat. Am besten sollte man vielleicht auch jemand sein, der nichts dagegen hat, wenn einem jemand wie Rudolf Schock andauernd beiläufig in den Nacken oder an die Waden fasst, den Arm um einen legt und dabei singt oder sagt: „Ich liebe dich. Sträub dich nicht.“ Er hat aber schöne Unterarme, muss man dann denken.
Und man sollte sich in die Vorstellung hineinsteigern, dass das eigentlich alles Sex ist, im Sinne von „ungeheuerem Gefühl“ (copyright: Eskalierende Träume). Wenn sie spontan singen und aufspringen und vor Erregung tanzen müssen. Oder von unten schummrig anschwellend „Wo wohnt die Liebe? Wer kann`s mir sagen?“ fragen. Wenn sie tief atmen, und ihre großzügigen Dekolletees beben.
Es ist eine biedere Sinnlichkeit, aber sie ist enorm. Ein altmodisches Feuerwerk losgelassener Weiblichkeit, männlicher Inbrunst und spritziger Lebensfreude in allen aufgeregten Gliedmaßen.
Es spielt in Ungarn, wie „Piroschka“, da sind Pferde, Gänse, Wiesen, und Mariza (Christine Görner) ist eine junge Frau, die gerne lebt, eine Frohnatur, ein Glückskind.
Sie wirbelt ihre alte Kindefrau durchs Zimmer, wenn sie weiß, gleich wird sie tanzen gehen. Sie gibt ihrer Belegschaft frei, weil der Kinderchor so süß gesungen hat. Sie schwebt beschwingt die Treppe herab und will die Welt umarmen, weil die Sonne scheint. Ein Blendaxlächeln hat sie, und Kleider wie Gedichte, für jeden Tag ein anderes, und perfekt gelegte Locken, Meisterstücke des Friseurhandwerks. Und da sind ja auch die Kessler-Zwillinge! Gleich gekleidet, munter und adrett und wunderhübsch; man würde sie vom Fleck weg heiraten. Es ist wie eine Barbie-World. Ein schnörkeliges Kinderzimmer voller Frauen, alle rank, schlank, heiter, rein, während die Männer nur na ja.
Ein Tortenhäppchen von der Story: Nach der Art so vieler hoher Frauen in Trivialwerken, fährt Mariza vor in einer prachtvollen Kutsche/Luxuskarosse, um ihre alte Heimat zu besuchen und sich dort fürs Leben zu verlieben. Sie wird von einem Kinderchor empfangen, der sich süß abmüht, das Einstudierte aufzuführen. Geleitet von einem rührend eifrigen Senior (Hans Moser), der einen devoten Aufwand betreibt und sich fast in die Hose macht vor Freude, die Gräfin wieder auf dem ländlichen Gehöft begrüßen zu dürfen. Das putzige, grundgütige Personal amüsiert mit lustigen und eitlen Alltagsstreitereien.
Bevor Sexualität und Weltschmerz in mir aufkamen, war das die Welt, in der ich aufgegangen bin:
Aufmunternde Männer, lustige Tolpatsche, traumhafte Rotkäppchenkleider, Brüste: Gründe, sich zu freuen, dass man selber bald erwachsen wird.
Traurig trotz Pferden? Vielleicht sollte man das mit dem Erwachsenwerden doch noch einmal überdenken.
Aber die Frauen sehen edel aus in ihrem Liebeskummer, der sie von den anderen isoliert, am Abend vor dem Showdown, der offenbart, dass alles nur ein Missverständnis war. In Wahrheit liebt er sie. Sie haben ihn nur falsch verstanden.
Deutschland 1958, Regie: Rudolf Schündler